Zum Wassergraben

3.5.09

Am 1. Mai vor 50 Jahren

… war der Großenbaumer Karl Loebel als junger Seemann in China und sah dort den großen Umzug zum Tag der Arbeit

von Martin Ahlers

Als Karl Loebel vor kurzem „klar Schiff” machte daheim in Großenbaum, da sind ihm seine alten Dias wieder in die Hände gefallen. An den 1. Mai vor 50 Jahren hat der 69-Jährige ganz besondere Erinnerungen. Da war der damals 19- Jährige als Seemann in China. Am „Tag der Arbeit” sah und fotografierte er den Mai-Umzug in der Hafenstadt Dairen (heute Dalian, 2,85 Mio Einwohner).

„Ein Erlebnis war das”, sagt er heute. „Wer kam da damals schon hin?” Der Rhein hat dem Duisburger Jungen sehr bald nicht mehr gereicht. „Seit ich Moby Dick gelesen hatte, wollte ich Hochsee-Fischer werden”, schmunzelt Loebel. Statt auf hohe See zog es ihn aber zunächst auf die Werft Berninghaus – an der Vulkanstraße lernte er Schiffbauer, hängte ein Maschinenbau-Praktikum bei Demag an.

Der Wunsch, die weite Welt zu sehen, sollte sich 1959 erfüllen. Dank der Beziehungen eines Onkels, er war Speditionskaufmann, wurde Karl Loebel Maschinenassistent bei der Hamburger Reederei Rickmers. „Es war schwierig, an einen solchen Job zu kommen”, erinnert sich der Großenbaumer, „zumal ich mit meiner Ausbildung eigentlich nicht zu gebrauchen war.”

Auf Schwergutfrachter „ETA Rickmers” stach Loebel in See. „Ein sogenanntes Tramp-Schiff, das von einem Hafen zum anderen fuhr”, erklärt er. Reizvoll für den jungen Duisburger: So sah er nicht nur Wasser, sondern auch viele Häfen. Gibraltar, Zypern, der Suez-Kanal waren Stationen, über die Malakka führte der Weg in den Indischen Ozean, ehe es weiterging nach Singapur, Japan, Hongkong und Shanghai.

Ein Seemann wurde nicht aus Loebel: „Meine Mutter hatte mich auf der Ingenieurschule angemeldet.” Doch dem Schiffbau blieb er treu: Drei Jahrzehnte hat er auf der Meidericher Schiffswerft gearbeitet. Die Ausflugsschiffe „Gerhard Mercator” und die „Wilhelm Lehmbruck” etwa hat er konstruiert.

Als aktiver Segler im Uerdinger Club hat Karl Loebel fortan sein Fernweh ausgelebt. Eine Atlantik-Überquerung und ein Karibik-Törn waren Höhepunkte, im Sommer geht’s mit dem clubeigenen Segler von der schottischen Westküste durch den Kaledonien-Kanal nach Dänemark. Als einziges Ziel seiner Jugendreise hat er vor einigen Jahren Singapur noch einmal besucht. „Ich hab’s nicht mehr wiedererkannt”, sagt Karl Loebel. In 50 Jahren passiert eben eine ganze Menge.

aus der WAZ vom 30. April 2009